Im Jahr 2015, als eine Welle Kriegsflüchtlinge aus Syrien Richtung Europa aufmacht führt dies zum politischen Kollaps des Dublin Abkommens. Neben der Mittelmeerroute über Italien hat sich die sogenannte Balkanroute als primärer Weg der Migrationswelle etabliert. Die Flüchtlinge setzen mit kleinen Booten von der Türkischen Küste auf mehrere griechische Inseln über bevor sie über das griechische Festland in Richtung Mazedonien weiterziehen. Der letzte Ort vor dem Mazedonischen Grenzübergang ist das kleine griechische Dorf Idomeni. Aufgrund sich immer wieder überschlagender politischer Entscheidungen wird der Grenzübergang immer wieder für unbekannte Zeit geschlossen, weshalb sich in Idomeni mehrere tausend Menschen stauen. Dort harren sie in Zelten oder unter freiem Himmel aus, in der Hoffnung, einen Weg nach Europa zu finden.

Anfang Dezember 2015 erlebt die ohnehin schon verzweifelte Lage der Menschen eine zunehmende humanitäre Eskalation. Durch den beginnenden Winter und Regen und Minusgrade bei Nacht drohte die Gesamtsituation sich so zu verschlimmern, dass man früher oder später mit Todesfällen hätte rechnen müssen.

So beschloss ich, kurzfristig, einen Weg zu finden, dieses humanitäre Drama an den Grenzen Europas zu dokumentieren und fand ihn in Form der Hilfsorganisation German Alliance For Civilian Assistance aus München. So ging es, zwei Tage nachdem die Entscheidung getroffen war, zusammen mit zwei Freiwilligen der NGO per Flugzeug nach Griechenland und weiter mit einem Mietwagen nach Idomeni. Wir trafen am Abend schließlich im Lager ein und waren schier überwältigt von der Szenerie. Menschen, so weit das Auge blicken konnte, Kälte, Schlamm und der beisende Geruch von brennendem Plasik in der Luft. Man musste sich immer wieder verdeutlichen, das hier ist Europa, wir sind in Europa. Diesen Anblick hätte zuvor wohl niemand in einer der reichsten Regionen der Erde vermutet.
Am nächsten Morgen kehrten wir zurück, es lag eine große Anspannung und Unsicherheit in der Luft, denn eine Räumung des Lagers würde wohl unvermeidbar in naher Zukunft folgen – Bilder von erfrorenen Menschen an der EU Grenze – das sollte unbedingt vermieden werden.
Frauen und Männer trocken Ihre Klamotten Nachts über einem Feuer aus Müll
Auf der Suche nach Frieden
Warten im Morgengrauen auf einen Weg weiter zu kommen
Man ist nur so alt, wie man sich fühlt
Der Beschützer der Familie
Die Tage waren von der Unsicherheit der Menschen und der Suche nach neuen Wegen geprägt, die Nächte vom blanken Überlebenswillen. All die Kälte, Nässe und Verzweiflung , der Verlust aller Habseligkeiten und Erinnerungen an die Heimat schweißte die Menschen zusammen. So saßen wir zusammen, Nacht für Nacht am Lagerfeuer, jetzt in diesem Moment begegneten wir uns auf Augenhöhe und für manche Momente schien es, als würde ich mit Freunden zusammen zelten, bis man sich umsah und die Leichtigkeit mancher Gespräche durch die Aussichtslosikgeit der Gesamtsituation hinweggeweht wurde. Wir wurden Freunde, wir waren einfach nur Jungs im gleichen Alter, der einzige Unterschied bestand im Pass. Noch heute hängt über meinem Schreibtisch eine Fahne des Fußballvereins „Raja Casablanca“. Die Flagge, einer der letzten Gegenstände die sie mitnehmen konnten, war eines der berührendsten Geschenke die ich je erhalten habe. Die Fahne ist für mich zum Symbol geworden, dafür dass ich einfach nur verdammtes Glück mit meinem Geburtsort hatte, für Großzügigkeit und Freundschaft – über alle Grenzen hinweg.
Die Crew
At Work
Mit Google Übersetzer und Händen und Füßen
Ein Mann (psychologisch schon auffällig) hatte sich bei einem Geschäft ein gefrorenes Lamm gekauft
Ein Moment der Leichtigkeit
Der beste Assistent
den ich je hatte
Am nächsten Morgen, wir waren gerade in Thessaloniki um eine Helferin zum Flughafen zu bringen, erreichte uns die Nachricht: „Das Lager wird in diesem Moment geräumt“. Wir stiegen sofort ins Auto, schossen Richtung Idomeni, voll Angst und Sorge um unsere Freunde, doch wir konnten nicht zum Lager durchstoßen. Die Polizei hatte alles hermetisch abgeriegelt und allen Journalisten des Geländes verwiesen. Busse passierten uns, auf dem Weg nach Athen in eine Notunterkunft, wir konnten nichts machen als zuschauen und hoffen, dass alles gut gegangen ist. Am Abend dann die erhoffte Nachricht, unsere Freunde sind alle wohlbehalten in Athen, es geht ihnen gut, sie sind versorgt – uns fiel ein Stein vom Herzen.

